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Frack-Sausen zum Wiener Opernball
Münchner Merkur - Szene München- von Maria Neidlinger
In München ist kein Leih-Anzug mehr frei
Die Vorbereitungen auf das größte gesellschaftliche Ereignis im
Jahr laufen auf Hochtouren. Dem Wiener Opernball am 11. Februar fiebert nicht
nur die österreichische Hauptstadtprominenz ungeduldig entgegen. Auch Münchens
Ballgänger stöbern in ihren Kleiderschränken nach dem richtigen Outfit. Die
Männer müssen sich dabei der Tradition fügen, für sie herrscht Frackzwang. Doch
welcher Mann kauft schon extra das teure Stück mit allen Accessoires? Die
walzverliebten Münchner sind da sparsam, sie leihen sich einfach einen Frack
aus. Das Atelier von Ralf Rainer Stegemann quillt über vor eleganten
Taftkleidern, Spitzen- und Tüllroben, Theater- und Filmkostümen. Die Faschings-
und Ballsaison steuert auf ihren Höhepunkt zu, und beim Schwabinger Atelier von
Stegemann klingelt permanent das Telefon. Kleider werden anprobiert, geändert,
zurückgebracht und wieder abgeholt. Dazwischen steht eine hölzerne Kleiderpuppe,
die das momentan gefragteste Kleidungsstück trägt, einen schwarzen Frack.
Siebzig bis achtzig der eleganten Schwalbenschwänze hat der Schneider für
gewöhnlich vorrätig. "Doch zum Wiener Opernball gehen die Fräcke fast alle
weg", erzählt Stegemann, "wir verleihen sie für dieses
verlängerte Wochenende für 350 Mark, inklusive Reinigung". Bis Mann
auch so richtig gut aussieht, muss er aber so einiges anziehen. Bei einem
kompletten Frack-Outfit kommt zuerst das weiße, gestärkte Hemd mit Piquèe Brust.
Dann folgt die Weste, ebenfalls aus dem gleichen leicht strukturierten weißen
Piquèe-Stoff. Wichtig sind vor allem die richtigen Accessoires, denn sonst kann
der Kavalier leicht mit dem Kellner verwechselt werden. "Wichtig ist, dass die
Fliege ebenfalls weiß ist und wieder aus Piquèe Stoff, denn eine schwarze Fliege
trägt nur der Oberkellner", klärt Stegemann auf. Die schwarze Hose mit dem
glänzenden Seitenstreifen und schließlich die Jacke mit den charakteristischen
Schwalbenschwänzen machen aus dem Mann den Gentleman von Welt. "Wer's perfekt
möchte, kann sich noch mit Zylinder, weißem Schal, Seidenkniestrümpfen und
Lackslippern ausstatten", so Stegemann, "doch die meisten nehmen nur die
Grundausstattung". Stegemanns Kunden sind durchaus nicht nur jene, die sich
keinen Frack leisten könnten. "Zu mir kommt der gesamte Adel, die Prominenz,
Akademiker, Geschäftsleute, aber auch der Metzger, der mit der organisierten
Busreise zum Opernball fährt", plaudert Stegemann. den Hauch von
Exklusivität, der dem Wiener Opernball vorausweht, spürt man in München nur noch
beim berühmten Schneider "Dietl" in der Residenzstraße. "Wir haben extra für den
Opernball drei Fräcke in Auftrag angefertigt", berichtet Zuschneider Hans
Roderer, "mit Weste liegen die dann bei rund 7500 Mark". Dieses teure
Walzer-Vergnügen gönnen sich die meisten Münchner Männer lieber leihweise. Der
Gentlemen schweigt und genießt. |